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Religion als Teil der Lösung
21.2.2025
Diskussion im Morgnerhaus: „Was haben Kirche und Islam zum Staat zu sagen?“

Von Thomas Brüggestraße
Soest. „Was haben Kirche und Islam zum Staat zu sagen?" Rund hundert Interessierte hörten im Morgnerhaus zu, was zwei Fachleute der Uni Münster zu erzählen hatten. Superindendent Dr. Manuel Schilling moderierte die zweistündige Veranstaltung, stellte Fragen. 90 Minuten waren für die beiden Referenten, 30 Minuten für Fragen und Diskussion.
Auf dem Podium: Professor Dr. Hans-Peter Großhans, Professor für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, und Professor Dr. Mouhamad Korchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster. Für beide war es der erste Besuch in Soest, und sie trafen auf ein dankbares und aufmerksames Publikum.
Worum ging es bei dem interreligiösen Gesprächsabend?
„In unserer Gesellschaft sind Spannungen auszumachen, die stark von fundamentalistischen und populistischen Parolen genährt und gefördert werden", so hieß es in der Einladung. Und: „Religion wird dabei entweder als Stichwortgeber ausgebeutet oder als Brandbeschleuniger instrumentalisiert." Ziel des Abends sollte sein, Barrieren abzubauen, öffentlich zu zeigen, dass Angehörige christlichen und muslimischen Glaubens einander friedlich zuhören können und an Verständigung interessiert sind. Das gelang, und im Publikum saßen auch Frauen und Männer aus der muslimischen Gemeinde in Soest.
Herausgearbeitet wurde im Gespräch das Verbindende: Auf Abraham berufen sich Christen und Muslime. Mit Blick auf die Gesellschaft ergab sich für den Superintendenten bei der Einführung in den Abend die ernüchternde Erkenntnis: „Die Mehrheit ist agnostisch desinteressiert, ein Teil militant verbohrt." Dabei sei Religion doch gar nicht das Problem, sondern ein Teil der Lösung.
Ist der Islam ein Feind unseres Rechtsstaats, wollte der Superintenden wissen. Mouhamad Korchide stellte klar: „Man muss differenzieren, denn auch bei uns Muslimen gibt es Strömungen, man darf deshalb nie pauschale Urteile fällen. Hier die Bösen, da die Guten — in diese Falle dürfen wir nicht laufen. Populismus lebt von Feindbildern." Allen empfiehlt er: „Man muss offen sein für Kritik und für Selbstkritik." Ist der Islam denn nun gefährlich, hakte Schilling nach. Professor Korchide: „Das ist abhängig von der Auslegung — davon ist abhängig, ob wir von einem friedlichen, kompatiblen Islam reden."
Was ist überhaupt „Abendland"? Dr. Hans-Peter Großhans holte zu Grundsatzbetrachtungen aus, stellte Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Mitleid aus den Schriften gegen Begriffe wie Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität: Sind das die gleichen Wertfundamente? Sind Christentum und Demokratie zwangsläufig ein Paar? Natürlich nicht, zeigte sich in der weiteren Betrachtung: Die Bibel beschreibt zig Staatsformen. Demokratie nicht. „Man kann auch in anderen Systemen als Christ leben", stellte Großhans fest.
Wie sieht es der Koran? „Die Frage ist, wie man ihn liest", erläuterte Dr. Mouhamad Korchide — für ihn gebe es jedenfalls eine klare Trennung zwischen Religion und Staat. Er verwies als Beispiel auf eine Sure, in der der Prophet sich aufs Religiöse beschränkt: „Von Landwirtschaft verstehe ich nichts. Höre da auf die Experten. Ich spreche über unsere Beziehung zu Gott."
Zum Nebeneinander der Religionen hatte er Sure fünf parat, in der es heiße, die Menschen seien alle aufgerufen, in den guten Dingen zu wetteifern. Brücken in die Bibel und auch zum Judentum findet er im wissenschaftlichen Vergleich der Schriften: „Ohne Judentum kein Islam", so lautet der Titel seines neuesten Buches, das jetzt herauskommt. Es ist sein Beitrag gegen politisch motivierten Judenhass. Korchide: „Ohne Politik und ohne Populismus entschärft sich das." Er unterstreicht dabei noch einmal die gmeinsamen Wurzeln der beiden abrahamitischen Religionen. Korchide ist überzeugt: „Die arabische Welt braucht eine neue Erzählung zur Frage: 'Wer sind wir?'"
Wie wörtlich soll man Schriften nehmen? Der Christ Hans-Peter Großhans sagt: „Durch blankes Lesen wird man nicht erfahren, was Gott einem sagen will. Ich würde nur diesen Satz aus der Bibel wörtlich nehmen: 'Trinke den älteren Wein, denn der ist besser'".
Warum tut der Islam unserem Staat gut, warum Kirche? Diese Frage geht an beide Referenten. „Kirche thematisiert Grundfragen des Lebens, das kann sonst niemand leisten", findet Großhans. Mouhamad Korchide sagte: „Der Islam würde Deutschland gut tun, wenn wir uns auf die Spiritualität konzentrieren würden — in einer brutalen und leistungsorientierten Welt finden wir hier Resilienz."
Fragen und Antworten kratzten an vielen Themen. „Alle sind Kinder Gottes — gibt es das auch im Islam?", wollte jemand in der Fragerunde wissen. „Es kommt darauf an, mit welchem Muslim man spricht. Es gibt keine pauschalen Antworten, und Theologen sind immer Kinder ihrer Zeit", sagte Korchide dazu.
Die Abschlussfrage an beide: „Was wünschen Sie unserem Land?" – „Dynamik", sagte Dr. Hans-Peter Großhans: „In Bezug auf Religionsgemeinschaften hat sich da was pandemisch auf unsere Seelen gelegt." Er sei „nicht so optimistisch", weil der Diskurs aktuell eher unter Sicherheitsaspekten gesehen werde. Großhans: „In Europa nimmt der religiöse Analphabetismus zu. Da ist viel Arbeit nötig — über Andere gibt es nur Vorurteile..." Er selber finde, man solle „die Relevanz von Religion im öffentlichen Leben wieder stärken".
Professor Dr. Mouhamad Korchides Wunsch war kurz und bündig: „Mehr Gott-Mensch-Beziehung."

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