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Mehr als nur ein Gefühl von Heimat
6.3.2025

Von Thomas Brüggestraße
Soest. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, jedem absehbaren Ende ein ganzer Strauß an Chancen, will man meinen nach einem Blick auf ein Treffen im Petrushaus: Teilnehmer einer Exkursion aus unterschiedlichsten Kirchenkreisen der Evangelischen Landeskirche saßen dort mit dem leitenden Pfarrer, mit dem Architekten des Kirchenkreises, mit Pfarrern, Ehrenamtlichen, dem Stadtbaurat und einer City-Managerin zusammen. Warum? Die Mitgliederzahlen in den Kirchengemeinden schrumpfen, Pfarrer und Pfarrerinnen werden Mangelware. Da ist er nur logisch, dass man in Zukunft auch weniger Gebäude brauchen wird – profane wie kirchliche gleichermaßen.
Diese Entwicklung ist bekannt und vom Superintendenten Dr. Manuel Schilling schon mehrfach eindringlich beschrieben worden. Man werde nach vorne blicken, aus dem vordergründig Negativen etwas Positives machen und daraus kraftvoll eine komplett neue Zukunft gestalten. Das war schon einmal ein Signal, das die Besucher von außerhalb mitnehmen konnten.
Besonderes Interesse lag auf der Frage: Was bitte wird aus den ganzen Gotteshäusern? Soest selber ist weithin bekannt für seinen Schatz an schönen, alten Kirchen, an historischer Bausubstanz. Für die Sankt Maria zur Wiese zum Beispiel, eine Weile noch Sanierungsfall und Dauerbaustelle, eine Daueraufgabe wie der Kölner Dom, so umriss es Kirchenkreis-Architekt Dirk Pieper. Für die Hohnekirche, für Sankt Petri und den Schiefen Turm, für Neu Sankt Thomae und weitere Gotteshäuser.
Soll man sie erhalten, aufwendig pflegen und sanieren? Soll man sie vermieten oder verkaufen, umnutzen oder einfach leer stehen lassen? Wer soll das zahlen können? Gibt es Sponsoren oder Konzepte, um Gelder einzuwerben, Fördertöpfe anzuzapfen? Es geht ja nie um zwei Euro fünzig, sondern meistens geht es in die Hunderttausende oder gleich um eine Million — bei der Johanneskirche aus den Sechziger Jahren zum Beispiel, da könnte die fällige Reparatur schnell siebenstellig werden.
Zwischen dreieinhalb und vier Millionen Euro hat Pieper schon auf dem Zettel stehen für nötige Maßnahmen. „Das ist auf Dauer nicht mehr tragbar", findet er. Will heißen: Partner und Sponsoren sind gesucht, pfiffige Ideen. Kultur in alten Kirchenmauern zum Beispiel. „Kultur trägt sich nicht immer — wir sind in Soest und nicht in Frankfurt Innenstadt", sagt Pieper. Vielleicht lässt sich über die Tourismusschiene das Geld verdienen, das mithilft, Kirchen zu erhalten? „Gibt es so etwas wie spirituellen Tourismus?", fragt der Superintendent? „Ließe sich in die Richtung etwas entwickeln und ausbauen?" Gespräche wären dann nötig zwischen Kirche und Stadt — das Ganze nur mal so als Idee skizziert.
Matthias Abel, technischer Beigeordneter der Stadt, für die Besucher also in etwa ein „Baudezernent", er beschreibt Soest als sehr, sehr interessante Stadt. Dass die Evangelische Kirche sich möglicherweise von 30 bis 40 Prozent der Immobilien trennen will, und nicht alles sind Kirchen, das findet er „für die Stadtentwicklung natürlich interessant". Soest sei schließlich eine lebendige Stadt mit publikumsintensiven Veranstaltungen alle vier bis sechs Wochen.
Die Kirchen in Soest, sagt er, sie seien eine beachtliche gesellschaftliche Leistung, sie seien Identifikationsmerkmale, die Kirchturm-Silhouette vermittle für alle Menschen von hier sofort das tief anrührende Gefühl von Heimat, die Kirchen seien ein wertvolles baukulturelles Erbe — um die 600 Denkmale habe Soest insgesamt, das größte davon die Wallanlage. Ist Kultur also der Weg, der Geld bringen könnte? Abel winkt ab: Baukultur zum einen sei ein recht sperriges Thema, wohl nur etwas für ein bestimmtes Klientel.
Wo soll das Geld herkommen?
Kirchen als Kulturraum? Bei Neu Sankt Thomä funktioniert das bereits. Braucht man mehr? „Man wirft den Soestern sogar vor, die Stadt habe für ihre Größe überhaupt viel zu viele Kulturflächen — so sieht es das Gemeindeprüfungsamt regelmäßig", erzählt Abel den staunenden Teilnehmenden der Gesprächsrunde. Jetzt noch weitere Kirchen als Kulturflächen bespielen? Das würde wohl nicht funktionieren. „Wollen wir auch nicht", sagt der Superintendent. Vermutlich müssen andere Lösungen her. Soziale Räume vielleicht. Oder Co-Working-Spaces. In Aachen etwa hat man Boxen als Miet-Büros in Kirchen platziert, erzählt jemand aus der Runde.
Wie auch immer: Wichtigste Frage ist immer, wo das Geld herkommt, um Erhalt und Umnutzungen dauerhaft abzusichern. Über Lösungen wie im Ruhrgebiet etwa — mit Stiftungen. Könnte vielleicht gehen. Vielleicht auch anders — Gespräche müssen geführt werden mit den jeweils richtigen Menschen.
Der weitere Gesprächsverlauf zeigte auf, was der Weg sein könnte für Soest: Weniger Menschen in den Kirchengemeinden rücken zusammen, weil auch die Zahl der Pfarrer schrumpft. Eventuell 2027 könnte eine große Gemeinde in Soest mit drei oder vier Zentren das Ergebnis dieser Entwicklung sein. Nichts, was Angst machen müsste. Eher eine Chance für etwas völlig Neues.
Pfarrer Dr. Christian Welck sagt dazu: „Der Blick auf 2027 ist so neu nicht. Dass es auf eine Fusion hinauslaufen könnte, das ist seit Jahren bekannt. Es gebe allen eine Chance, neu, größer, anders zu denken. Eine Bereitschaft, wirklich Neues zu schaffen, die ist da. Es geht auch um ein anderes Gemeindeleben, um eine neue spirituelle Verortung..." Und er weiß: „Die Menschen ticken heute anders. Sie sind mobiler, gehen gerne auch in andere Stadtteile."
Was es in Soest auf keinen Fall geben soll, sagt Jürgen Bertling, ein weiterer Referent des Nachmittags, das seien holländische Verhältnisse: Im letzten Holland-Urlaub sei er in Alkmaar gewesen und habe dort vor der schönen großen Kirche ein schnödes Pappschild gesehen: „Te koop!". Verkaufen? Nein, so soll es nicht kommen in Soest, findet Bertling.
Der Superintendent unterstreicht: „Diese Runde hier beschließt nichts, es ist ein lockerer Gesprächskreis. Wir reden mit Menschen, die uns besuchen, die sich über mögliche Entwicklungen informieren wollen."

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