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Mahnung gegen das Vergessen

22.11.2024

Traditionelles Erinnern anlässlich des Gedenkens der Pogromnacht

Alexandra Khariakova (links) und Irina Teplytska von der Liberalen jüdischen Gemeinde aus Unna tragen das Kaddisch, eines der wichtigsten jüdischen Gebete, in aramäischer Sprache vor. Fotos: Thomas Brüggestraße
Alexandra Khariakova (links) und Irina Teplytska von der Liberalen jüdischen Gemeinde aus Unna tragen das Kaddisch, eines der wichtigsten jüdischen Gebete, in aramäischer Sprache vor. Fotos: Thomas Brüggestraße

Von Thomas Brüggestraße

 

Soest. Die Synagoge in Unna wird bewacht. Rund um die Uhr. Von Polizisten mit Maschinengewehren. Das klingt gruselig. Weil es für Menschen in Soest nicht irgendwo woanders, sondern gefühlt „um die Ecke" stattfindet. Alexandra Khariakova erzählt von der Bewachung anlässlich des traditionellen Gedenkens an die Pogromnacht. Viele stehen da vor dem Haus in der Osthofenstraße, wo früher eine Synagoge stand. Sie wollen an den unsäglichen Frevel erinnern, dass man im ganzen großdeutschen Reich und auch in Soest Gottes auserwähltes Volk aus den Wohnungen zerrte, zusammentrieb wie Vieh, in Konzentrationslager sperrte, in die Gaskammern schickte, verbrannte und selbst im Tod noch beraubte. Weil sie Juden waren.

 

„Wenn sie jetzt ganz unverhohlen wieder Nazi-Lieder johlen, über Juden Witze machen, über Menschenrechte lachen, dann steh auf und misch dich ein: Sage nein!", so zitiert zunächst Diakon Peter Breuer den Liedermacher Konstantin Wecker. Breuer spricht für den Rat der Kirchen in Soest, stellvertretend auch für Rat und Verwaltung. Dann erzählen Alexandra Khariakova und Irina Teplytska von der „Liberalen jüdischen Gemeinde" aus Unna von ihrem Leben, und sie laden ein, die Gemeinde in Unna einmal zu besuchen.

 

Ganz konkret am 12. Dezember  um 19.30 Uhr. Da werde die Künstlerin Barbara Yelin mit dem „Alfred-Müller-Felsenburg-Preis für aufrechte Literatur" ausgezeichnet. Yelins „umfangreiche und in zahlreiche Sprachen übersetzte Comics und Graphic Novels“, so die Jurybegründung, behandeln so anspruchsvolle historische und gesellschaftspolitische Themen wie die deutsche nationalsozialistische Vergangenheit oder das Flüchtlingssterben im Mittelmeer. Man möge sich anmelden, damit die Organisatoren wüssten, für wie viele Menschen sie kochen müssten an dem Abend, fügt Alexandra Khariakova hinzu. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der "Union progressiver Juden" in Deutschland.

 

Die stellvertretende Bürgermeisterin Jutta Maybaum von den Grünen spricht für die Stadt Soest. Sie unterstreicht:  „'Niemals wieder' – dieser Satz darf nicht zu einer hohlen Parole verkommen." Er sei ein Aufruf an alle, wachsam zu sein und sich gegen jede Form von Antisemitismus zu erheben. Maybaum: „In Deutschland leben Jüdinnen und Juden, die ein Recht auf Sicherheit und ein Leben ohne Angst haben. Es ist unerlässlich, dass wir als Gesellschaft alles in unserer Macht Stehende tun, um ihnen diesen Schutz zu gewährleisten."

 

Das bedeute, dass man nicht nur über Antisemitismus spreche, sondern auch aktiv gegen ihn vorgehe. Ihr Appell: „Wir müssen uns mutig und entschieden gegen jede Form von Diskriminierung und Hass stellen. 'Niemals wieder' ist nicht nur eine Erinnerung an die Vergangenheit, sondern ein Aufruf zum Handeln in der Gegenwart." Es sei an der Zeit, „unsere Werte zu verteidigen und für eine Welt einzutreten, in der jeder Mensch, unabhängig von seiner Herkunft oder Glaubensrichtung, in Frieden leben kann."

 

Anschließend wandern alle zum jüdischen Friedhof. Alexandra Khariakova und Irina Teplytska tragen dort vor der Stele mit den eingemeißelten Namen der aus Soest verschleppten jüdischen Mitbürger das „Kaddisch" auf aramäisch vor, eines der wichtigsten Gebete für Menschen jüdischen Glaubens. Pfarrer Kai Hegemann erinnert daran, dass die Namen auf der Steinstele im Gottesdienst am Sonntag zuvor in der Wiesenkirche Name für Name verlesen worden seien: Damit sie von Zahlen auf Nazi-Listen, zu denen man sie reduziert und erniedrigt habe, wieder zu Menschen mit Namen werden. Damit bewusst werde, dass jede dieser Nummern ein konkretes Schicksal bedeute, ein unsägliches Leid, ein monströses Verbrechen. Und auch hier schwingt mit, was Jutta Maybaum zuvor in der Osthofenstraße gesagt hatte: Es ist schon wieder so weit, dass verächtliche Sprüche gemacht werden, dass der Spott zu Hass wird, der Hass zu Taten. Nach dem Gedenken auf dem jüdischen Friedhof geht es weiter zum Osthofenfriedhof an die Gräber sowjetischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter.

 

Kontakt nach Unna: khariakova@liberale-juden.de

www.liberale-juden.de

In der Osthofenstraße stand einst die Synagoge.
In der Osthofenstraße stand einst die Synagoge.

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